Berliner Kunstmarkt

Malerei als Form von Ungeduld

Von Veit Stiller 30. Mai 2008, 04:00 Uhr

Gespräch im Atelier des Malers Rudolf Draheim

Expressiv leuchtende Farben wogen und wallen, sprudeln und fließen. Ein abstraktes Spiel, in dem sich nichts Konkretes finden lässt und doch bilden sich vermeintlich Landschaften. Ein Dialog mit den Gestalt-Prinzipien unserer Wahrnehmung, die immer nach Bekanntem sucht. In der kräftigen Emotionalität der Farben erscheinen sie als Landschaften der Seele. So sind die Bilder von Rudolf Draheim.

Geboren wurde er 1941 im westpreußischen Dembno, wo seine Eltern ein großes Gut hatten. "Die Russen steckten mich 1945 in Kriegsgefangenschaft und dann in ein Internierungslager, das dann von den Polen weitergeführt wurde. Vater war in Sibirien und die Mutter in einem anderen Lager. Ich unternahm zwei Fluchtversuche, um sie zu finden. Im Lager musste ich Landarbeit verrichten. Die Familie kam erst 1949 in Deutschland wieder zusammen. Aber ich sprach nur polnisch, wurde später ein-geschult und hatte es schwer in der Schule. Gymnasium war illusorisch - also lernte ich nach der achten Klasse einen Beruf." Draheim lernte Zimmermann, aber auf diesem Wege zum Bauingenieur-Studium zu kommen, schlug fehl und so ging er nach Hamburg und arbeitete dort als Schiffszimmermann. Nebenbei machte er ein Abend-Abitur und absolvierte Praktika im Krankenhaus, wollte Medizin studieren.

"Ich kam auf die Warteliste. Bis es soweit war, studierte ich Physik und Chemie, brach das aber ab und ging nach Berlin. Dort war Psychoanalyse Schwerpunkt bei den Religionswissenschaften an der FU. Also studierte ich dort Religionswissenschaften, Germanistik und Theaterwissenschaft. In den Vorlesungen, besonders im Hauptfach, habe ich immer gezeichnet. Meist als Gedankenstütze, bin aber oft abgedriftet. Und irgendwann begriff ich: ich habe grundsätzlich anders geartete Sprachempfindungen als die anderen und bin da falsch."

Er hatte während des Studiums auch Theater gespielt, immer nur eine Aufführung, und empfand diese Zeit in Berlin als sehr spannend: Peter Steins Schaubühne war gerade von Bremen nach Berlin gekommen. Aber auch das war nicht wirklich sein Ding.

Mit dem Bildhauer Rainer Kriester, einem den bedeutendsten seines Faches, hatte Draheim oft über Kunst diskutiert und erwog, ebenfalls Bildhauer zu werden, von der Arbeit auf der Werft hatte er auch Erfahrung mit Metall. "Dazu war ich aber viel zu ungeduldig. Ich hatte immer gemalt und da auch schon erste eigene Ausdrucksformen gefunden. Da beschloss ich, Maler zu werden. Ich hatte einen väterlichen Freund, der meine Entwicklung immer skeptisch betrachtet hatte. Als ich ihm sagte, dass ich Maler werde, legte er mit die Hand auf die Schulter. Ich empfand das wie einen Ritterschlag. Fortan konzentrierte ich mich auf die Malerei. Ich habe mir Techniken angeeignet, auch grafische. Aber dann sagte ich mir: keine Drucke: nicht verzetteln. Siebdrucke und Radierungen hätten mich allerdings schon interessiert."

Die Anfänge waren Konkret und meist umrisshaft: Landschaften, Porträts. "Irgendwann fielen die Farben aus dem Bild. Und dann sah ich, wie Farbe verfließt, also einfach wegläuft. Aus dieser Beobachtung und aus dem, was daraus entstand, wurde ich immer ungegenständlicher." Und immer setzte sich Draheim auch mit anderen Künstlern auseinander. "Das Informell hat mich sehr beeinflusst, besonders die Aktivitäten Georg Nothelfers. Und da brachen die Inneren Zwänge auf, die ich seit dem Krieg hatte.

Ich hatte einen Weg eingeschlagen, der schrittweise klar wurde. Das Kryptische von Sonderborg erhielt plötzlich Kontur; in Stöhrers Werk spürte ich, wie er die eigene Energie und Lust mit eingebracht hat. Je mehr ich mich darauf einließ, desto mehr setzte ich ein und umso mehr Reaktionen bekam ich."

Rudolf Draheim hat den Medusa-Verlag mitgegründet und später die Galerie Nalepa, stieg aber in beiden Fällen wieder aus, um eigene Wege zu gehen. "Das hießt: Malerei. Das Fließen und Wogen begann sehr früh. Es resultiert aus dem Farbauftrag, nass in nass arbeiten, und beschreibt das Unbewusste, das Vorbewusste. Nur im Zusammenkommen der Elemente entsteht etwas Neues. Ich habe übrigens sehr spät angefangen zu lesen, wegen der Sprache. Von meiner Arbeit habe ich oft den Eindruck, ich will durch sie zu den Dingen kommen."

Rudolf Draheim wird von der Galerie Petra Lange vertreten.

Die Website: www.galerielange.de